Donnerstag, 8. April 2010

Anfangs war der Rhein noch klein





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Taschenbuch von Ernst Probst beschreibt die Anfänge des viertgrößten Stromes in Europa

Wiesbaden (die-nachrichten) - Der heute so imposante Rhein war nicht immer so lang und so breit, wie es in der Gegenwart der Fall ist. Aus seiner Anfangszeit kennt man nur Teilstücke, die streckenweise einen ganz anderen Lauf als der heutige Fluss hatten. Diese Teile wurden erst im Laufe von Jahrmillionen durch geologische Veränderungen der Landschaft miteinander verbunden. So kann man – grob vereinfacht – die Entwicklung des viertgrößten Stromes in Europa beschreiben.

Vielleicht existierte bereits an der Wende der erdgeschichtlichen Epoche Eozän zum Oligozän vor etwa 34 Millionen Jahren im Rheinischen Schiefergebirge ein Vorläufer des Rheins oder sogar ein erster Rhein. Dabei handelt es sich um das Vallendarer Flusssystem, das 1908 von dem deutschen Geologen Carl Mordziol (1886–1958) nach dem Koblenzer Stadtteil Vallendar benannt wurde. Als seine Hinterlassenschaften gelten hellweiße Schotter in Senkungszonen des Rheinischen Schiefergebirges. Zum Beispiel im Moseltrog, Lahntrog, Rheintrog oder im Goldenen Grund, jener Senke, die entlang der Autobahn Limburg-Wiesbaden eine Fortsetzung des Oberrheingrabens ins Schiefergebirge bildet.

Nachzulesen ist dies in dem Taschenbuch "Der Ur-Rhein" des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst. Es ist bei "GRIN Verlag für akademische Texte" erschienen, umfasst 256 Seiten, ist reich bebildert und kostet 24,99 Euro.

Nach seinen fast nur aus Quarz und verkieselten Gesteinen bestehenden Schottern zu schließen, lag das Quellgebiet des erwähnten Vallendarer Flusssystems in den Vogesen. Dagegen kamen einige kleinere Flüsse aus dem Rheinischen Schiefergebirge. Der genaue Verlauf des Vallendarer Flusssystems und seine Abflussrichtung aus dem Rheinischen Schiefergebirge sind umstritten. Wenn der Vallendarer Hauptstrom ab dem Mittelrheinischen Becken in Richtung Bonn entwässert hätte, wäre er tatsächlich ein erster Rhein, ein früher Lothringischer Rhein. In jedem Fall aber ist er der Wegbereiter für den späteren Lothringischen Rhein und seinen Nachfolger, die Mosel, schrieb 2003 der Düsseldorfer Geologe Wolfgang Schirmer.

Gegen Ende des Oligozäns waren große Teile von Nordrhein-Westfalen und Norddeutschland noch von der Nordsee bedeckt. Vor etwa 24 Millionen Jahren existierte zwischen Brohl und Bonn der so genannte Brohler Rhein. Er gilt als ältester bekannter Vorläufer des Rheins nördlich des Rheinischen Schiefergebirges. Der Brohler Rhein floss durch ein weites Becken, in dem sich Braunkohlensümpfe ausdehnten und das von aktiven Vulkanen des Westerwaldes und der Eifel eingerahmt wurde. Sein Quellgebiet lag nördlich von Andernach, sein Mündungsgebiet in die Nordsee bei Bonn. Den Namen Brohler Rhein hat Wolfgang Schirmer 1990 vorgeschlagen.

In der Übergangszeit vom Oligozän zum Miozän vor rund 23 Millionen Jahren existierten bereits drei Flussläufe, die später zusammen den Rhein bildeten. Einer davon war der Toggenburger Rhein, dessen Namen Schirmer 2003 geprägt hat. Andere Autoren sprechen vom Bündner Rhein oder Ur-Alpenrhein. Dieser Fluss kam vom Bündner Land, floss in Richtung Nordwesten und mündete in das so genannte Molassebecken in Süddeutschland. Als weiterer Flusslauf jener Zeit gilt der Straßburger Rhein, der 2003 von Schirmer so bezeichnet wurde. Jener Fluss strömte in Richtung Norden zum Restmeer im Mainzer Becken. Noch höher im Norden lag der bereits erwähnte Brohler Rhein.

Während des Mittelmiozäns vor etwa 15 Millionen Jahren zog sich das Meer endgültig aus dem Mainzer Becken und aus dem Oberrheingraben zurück. Nun wurde das Mainzer Becken Festland. Damit waren die geologischen Voraussetzungen für die Entstehung eines Flusssystems vorhanden.

Einen Ur-Rhein, der schon im Mittelmiozän vor ca. 15 Millionen Jahren etwa vom Kaiserstuhl bis in die Niederrheinische Bucht floss, vermuteten 1921 der Freiburger Wissenschaftler Friedrich Levy (1943 im KZ Theresienstadt gestorben) und 1934 der Bonner Geologe Max Richter (1900–1983). Dieser mutmaßliche mittelmiozäne Ur-Rhein, der durch Hebungen im Süden sowie die Vereinigung von Straßburger Rhein und Brohler Rhein entstand, wurde 1990 von Wolfgang Schirmer als Kaiserstühler Rhein bezeichnet.

Ein weiteres wichtiges Mosaikstück in der teilweise immer noch rätselhaften Geschichte des Rheins ist der Ur-Rhein in Rheinhessen gegen Ende des Miozäns vor etwa zehn Millionen Jahren. Ablagerungen dieses Flusssystems sind die nach dem Rüsseltier Deinotherium giganteum („riesiges Schreckenstier“) bezeichneten Dinotheriensande. Jener Ur-Rhein in Rheinhessen floss ab dem Raum Worms – weiter westlich als in der Gegenwart – auf die Binger Pforte zu. Der damalige Fluss berührte nicht – wie heute – die Gegend von Oppenheim, Nierstein, Nackenheim, Mainz, Wiesbaden und Ingelheim. Das geschah erst später.

Der Ur-Rhein in Rheinhessen war nachweislich nicht so lange wie der jetzige Rhein mit 1324 Kilometern, sondern nur ein kurzer Mittelgebirgsfluss mit schätzungsweise 400 Kilometern Länge. Somit war jener Ur-Rhein nur ungefähr ein Drittel so lang wie der gegenwärtige Rhein. Denn er besaß noch keine alpinen Zuflüsse wie jetzt. Seine Quellen lagen nach heutiger Kenntnis südlich des Kaiserstuhls, seine Mündung im Niederrheingebiet, wo sich damals noch die Meeresküste erstreckte. In der Gegend von Eppelsheim bei Alzey in Rheinhessen hatte der Ur-Rhein nach Ansicht des Paläontologen Jens Lorenz Franzen, der dort lange als Ausgräber aktiv gewesen war, nur eine Breite von etwa 45 bis 60 Metern.

Am Ur-Rhein existierte eine exotische Tierwelt, wie man vor allem durch Funde bei Eppelsheim, am Wissberg bei Gau-Weinheim und bei Dorn-Dürkheim weiß. In der Gegend von Eppelsheim etwa lebten Rüsseltiere (Rhein-Elefanten und Ur-Elefanten), löwengroße Säbelzahnkatzen (früher Säbelzahntiger genannt), Bärenhunde, Tapire, hornlose und zweihörnige Nashörner, krallenfüßige Huftiere, dreihufige Ur-Pferde und sogar Menschenaffen. Der kleine Ort Eppelsheim gehört zusammen mit dem Pariser Montmartre zu jenen großartigen Fossillagerstätten, mit denen die Erforschung ausgestorbener Säugetiere in Europa begonnen hat. Über die Funde aus den Ablagerungen des Ur-Rheins bei Eppelsheim informiert seit 2001 das Dinotherium-Museum in Eppelsheim, das Altbürgermeister Heiner Roos seine Gründung verdankt.

Im Obermiozän vor etwa acht bis fünf Millionen Jahren sank der nördliche Oberrheingraben so tief ab, dass sich der Rhein dem tiefsten Niveau folgend in östliche Richtung verlagerte. In der Gegend des heutigen Mainz verband er sich mit dem Main.

Während des Eiszeitalters vor rund zwei Millionen Jahren bewirkte das weitere Einsinken des Oberrheingrabens zusammen mit rückschreitender Erosion, dass der Rhein bei Basel die Ur-Aare anzapfte, die ursprünglich über die Burgundische Pforte und damit in das Mittelmeer entwässerte. Seit dieser Zeit findet man in den Ablagerungen des Rheins Mineralien, die durch ihre Zusammensetzung auf eine Herkunft oberhalb von Basel hinweisen.

Im frühen Eiszeitalter erweiterte der Rhein sein Einzugsgebiet erheblich durch den Anschluss des Alpenrheins (das ist der Abschnitt von Vorder- und Hinterrhein bis zum Bodensee). Damit erreichte er seine heutige Größe und Bedeutung.

Vor den Gletschervorstößen des Eiszeitalters bis zum Cromer (etwa 800.000 bis 480.000 Jahre) hatten Rhein und Maas ein gemeinsames Delta zwischen Rotterdam und Emden. In der Zeit zwischen etwa 800.000 Jahren und heute schnitt sich der Rhein etwa 100 Meter tief in den Mittelrhein-Canyon ein. Allmählich erreichte der Rhein seine jetzige Tiefe und Weite.

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